Integration in die schwedische Gesellschaft als Auswanderer

[AnnErl]

Hallo zusammen,

ich bin Medizinstudentin und habe letzten Sommer ein 6-wöchiges Praktikum in einem schwedischen Krankenhaus gemacht. Da ich vorhabe, dorthin auszuwandern, steht diesen Sommer erneut ein 6-wöchiges Praktikum dort an, anschließend wird fertig studiert und dann geht es hoffentlich bald los.

Ich bin gerade dabei, mir möglichst viele Informationen über mein Wunschland einzuholen. Hinsichtlich Arbeit und Behörden-Kram findet sich ja einiges im Internet, allerdings würde mich besonders interessieren, wie man als deutscher Auswanderer so von den Schweden aufgenommen wird. Ein paar Berichte habe ich bereits gelesen, manche davon waren recht ambivalent (in der Hinsicht "als Urlauber wird man offen empfangen, wenn man dort arbeitet und lebt sieht es allerdings ganz anders aus").
Daher dachte ich mir, ich frage hier (wo sich ja doch einige Ausgewanderte befinden..?) einfach mal in die Runde, vielleicht möchte ja jemand ein bisschen von seinen Erfahrungen erzählen

Vorab: ich bin mir natürlich bewusst, dass man selbst den größten Beitrag zu einer gelungenen Integration leistet (sprich Offenheit gegenüber einer anderen Mentalität, Teilnahme an verschiedenen Aktivitäten [Sportvereine etc.], ...). Meine Frage zielt eher darauf ab, wie das von der schwedischen Bevölkerung aufgenommen wird. Natürlich ist das schwer, zu pauschalisieren, es gibt ja auch hier in Deutschland solche und solche.

Dennoch würde ich mich über individuelle Erfahrungen und vielleicht auch Tipps zu den Do's and Don'ts hinsichtlich der gesellschaftlichen Integration in Schweden freuen.

Vielen Dank und liebe Grüße

Anna

[sailor1989]

Hallo Anna,

ich bin auch seit 25 Jahren begeisterter Schwedenfreund (und übrigens auch Medizinstudent) auch wenn ich (momentan) keine Auswanderung mehr plane.

Nun zu deiner Frage:
Seitdem wir ein Haus in Schweden habe, also auch Nachbarn etc. Konnten wir mal selber 7berprüfen, was es mit dem Märchen des unnahbaren Schwedens auf sich hat der zwar freundlich winkt aber niemanden an sich ran lässt.

meines Erachtens nach ist das völliger Unfug. Wir haben da bereits in den ersten ein zwei Jahren so viele gute,feste Freunde gefunden auch mit regelmäßigen Einladungen, nicht nur direkte Nachbarn übrigens.

Es hängt allerdings sehr davon ab, wie du dich gibst. Es gibt bei uns in der Nähe auch grosse deutsche Communitys die mehr unter sich bleiben ohne Anschluss und von den Schweden sehr negativ beäugt werden. Davon halten wir uns allerdings fern. Du musst halt integrationsinteresse zeigen und das zeigt sich durch schwedische Sprache, Interesse, Freundlichkeit, und viele kleinen Details im gegenseitigen Umgang.
Aber niemand wandert eigentlich aus, um sich dann nur mit Deutschen zu umgeben. Ich kenne auch aus dem deutschen Bekanntenkreis Fälle, wo es genau so gewesen ist und sich der Kontakt nie aufbauen ließ dauerhaft. es liegt also allein an dir.
Viel Erfolg

VG
Jonathan

PS. Allgemeinmedizin?

[vita]

Das kann ich nur bestätigen. Es ist tatsächlich so, dass man sich von Landsleuten eher fernhalten sollte (zumindest nicht einer Gruppe beitreten). Wie anders will man auch die (Alltags)sprache verbessern? Verein, klar, gehört dazu. Sich "sehenlassen" bei Veranstaltungen ebenfalls. Zumindest auf dem Dorf, in der Kleinstadt ist es so.
Viel Erfolg!

[AnnErl]

Guten Morgen!

Vielen Dank für eure Antworten :)

Ja, das dachte ich mir schon. Verstehe allerdings nicht, wieso man auswandert, um sich dann nur in einer deutschen Community aufzuhalten. Das mag zwar am einfachsten sein, dort Anschluss zu finden, aber dann bleibe ich doch gleich hier.
Allerdings motivieren mich eure Erfahrungen, dass es mit genug Eigeninitiative wohl doch sehr gut möglich ist. Vielleicht stammen die negativen Erfahrungsberichte ja auch einfach von "Integrations-unwilligen" ;)
Da ich die Sprache bereits so weit beherrsche, dass ich im Alltag gut klarkomme, konnte sich für mich das Bild der zurückhaltenden Schweden während meiner (wenn auch kurzen) Zeit dort nicht bestätigen. Natürlich war die Zeit etwas zu kurz, um enge Freundschaften zu knüpfen (da ich ja auch jeden Tag auf der Arbeit war), aber ein paar Bekanntschaften sind mir auf jeden Fall geblieben. Ich glaube auch, dass gerade die jüngere Generation durch die vielen internationalen Kontakte (Erasmus, Auslandspraktika, Austauschstudenten an der Heimat-Uni, Work&Travel, ...) nochmals offener für Neues ist. Aber auch mit den "älteren" Ärzten dort habe ich mich super verstanden. Die Sprache ist wahrscheinlich einer, wenn nicht der wichtigste Faktor - auf Dauer fände ich es auch anstrengend, mit jemandem befreundet zu sein, der, wenn ich ihn einlade, die Gespräche in Landessprache nicht richtig versteht.
Diesen Sommer werden es insgesamt 4 Monate, die ich dort bin (vor und nach dem Praktikum noch ein bisschen Freiwilligenarbeit auf verschiedenen Farmen). Ich hoffe, das gibt mir dann eine gute Basis hinsichtlich Sprachfertigkeiten und Kulturkenntnisse, um mir die spätere Integration zu erleichtern ;)

Nochmals Danke für eure Antworten!

Liebe Grüße

Anna

PS an Jonathan: Nein, es wird ziemlich sicher die Orthopädie, die interessiert mich mit Abstand am meisten ;) Meine beiden Praktika in Schweden sind auch auf der Ortho. Weißt du zufällig, wie es da hinsichtlich der Job-Aussichten steht? Und weißt du schon, was du mal machen möchtest?

[vita]

Nun, ich glaube, dass die Mehrheit der dort lebenden Deutschen sich nicht um Integration bemühen, wohl aber über die "in Schweden lebenden Ausländer" (=Südosteuropa usw.) mokieren. Das ist mir sehr deutlich geworden. Man selber ist ja kein Ausländer in Schweden. So denken viel. Leider.

[vita]

Mehrheit schwäche ich mal lieber ab in: Ein Großteil der mir bekannten ...

[Framsidan]

Ich bin auc h der Ansicht dass vieles an einem selber liegt. Man braucht ja nur hier lesen dass viele immer gleich Landsleute suchen in der Umgebung.
Da kann man dann natürlich nie in die schwedische Gesellscha<ft mit eingebunden werden.

Klar ist es nie ga<nz leicht am Anfang aber man schafft es. Das Leben hier ist etwas anders als viele es gewohnt sind von zuhause.

Jedes Land ist etwas anders und auch im Lande selbst gibt es Unterschiede wo man wohnt. In der Stadt oder auf dem Land, im
Süden oder Norden, West oder Ostküste.

Die Sprache ist halt sehr wichtig. Ich fing ja sehr schnell an zu arbeiten und hatte immer nur schwedische Arbeitskollegen
Einen neuen Freundeskreis aufzubauen dauert natürlich auch etwas aber Bekannte trifft man sehr schnell.
Dazu muss man natürlich raus aus seinen 4 Wänden. Aber das Hoppla jetzt komme ich, funktioniert hier nicht.

Mittlerweile bin ich nun schon über 37 Jahre hier

Als meine älteste Tochter auf Besuch hier war, hat sie nie verstanden warum so oft gesagt wird dass die Schweden so unnahbar seien denn sie könne nur das Gegenteil sagen. Sie wollte auch immer tanzen gehen wenn sie hier war.

Also alles geht.....

Wohin in Schweden zieht es dich denn?

Framsidan

[AnnErl]

Ja, das verstehe ich auch nicht so ganz. Kriege es bei Freunden mit, die ein Auslandssemester machen, und wenn man die dann fragt, wie man so in die Gesellschaft aufgenommen wurde, kommt als Antwort: "Keine Ahnung, hab eigentlich die meiste Zeit was mit anderen Deutschen gemacht!"

Ich habe allerdings auch gehört, dass es in Schweden eher so ist, dass man Arbeit und Privatleben mehr trennt. Sprich man hat eher weniger die Arbeitskollegen als Freunde in der Hinsicht, dass man sich privat trifft. Ist da was dran?

Und was genau meinst du mit "Hoppla jetzt komme ich"?

Wohin es mich genau zieht, weiß ich noch nicht. Mein Praktikum im Sommer ist in Falun. Dalarna an sich klingt ganz gut hinsichtlich Lage und Umgebung. Aber ich werde mich natürlich nach dem Arbeitsmarkt richten müssen (möchte Orthopädin werden und brauche dafür eine ST-Stelle )

Danke für deine Antwort und liebe Grüße
Anna

[sailor1989]

Also auch Facharztweiterbildung in Schweden?
Bei mir wird es wahrscheinlich AM. will nicht Ausschlüssen, dass es mich damit auch mal nach Schweden verschlägt aber vorerst nicht


Es gibt Ratgeber wo die besonderheiten im Umgang erläutert werden, z.B. soll man (angeblich) nach einer Einladung/Treffen gleich zurückrufen (tack för maten/senast) und eine gegeneinladzung aussprechen. also angeblich ...

[Framsidan]

Also auch Facharztweiterbildung in Schweden?
Bei mir wird es wahrscheinlich AM. will nicht Ausschlüssen, dass es mich damit auch mal nach Schweden verschlägt aber vorerst nicht


Es gibt Ratgeber wo die besonderheiten im Umgang erläutert werden, z.B. soll man (angeblich) nach einer Einladung/Treffen gleich zurückrufen (tack för maten/senast) und eine gegeneinladzung aussprechen. also angeblich ...

Tack för maten sagt man ja gleich, meistens wenn man vom Tisch weggeht. Tack för senast kommt dann wenn man anruft. Und das tut man ja wenn man einen netten Abend/Tag hatte. Nicht jeder erwartet6 gleich eine Gegeneinladung aber jeman der sich "nur" immer einladen lässt ist natürlich schnell dafür bekannt.....

Många barn säger här också tack för maten zuhause bevor sie vom Esstisch aufstehen. Ich finde das gut.

[AnnErl]

Många barn säger här också tack för maten zuhause bevor sie vom Esstisch aufstehen. Ich finde das gut.

Oh, das finde ich wirklich schön! :)
Kennt ihr zufällig so etwas wie einen "Gesellschafts-Ratgeber" für Schweden?

Ja, würde gerne direkt nach dem Studium in Schweden anfangen. Habe schon so viel Negatives über die Assistenzarzt-Zeit in der Ortho/UCh hier in D gehört, und dahingegen waren die ST-läkare in Schweden so zufrieden.

[sailor1989]

Also auch Facharztweiterbildung in Schweden?
Bei mir wird es wahrscheinlich AM. will nicht Ausschlüssen, dass es mich damit auch mal nach Schweden verschlägt aber vorerst nicht


Es gibt Ratgeber wo die besonderheiten im Umgang erläutert werden, z.B. soll man (angeblich) nach einer Einladung/Treffen gleich zurückrufen (tack för maten/senast) und eine gegeneinladzung aussprechen. also angeblich ...

Tack för maten sagt man ja gleich, meistens wenn man vom Tisch weggeht. Tack för senast kommt dann wenn man anruft. Und das tut man ja wenn man einen netten Abend/Tag hatte. Nicht jeder erwartet6 gleich eine Gegeneinladung aber jeman der sich "nur" immer einladen lässt ist natürlich schnell dafür bekannt.....

Många barn säger här också tack för maten zuhause bevor sie vom Esstisch aufstehen. Ich finde das gut.

Ich weiss; war etwas in Eile, deshalb die Ungenauigkeit
Kennen keinen wirklichen Ratgeber, aber in demBuch Elchtest standen viele interessante Fakten und Gepflogenheiten.


(Das glaube ich dir. die Arbeitsbedingungen in Deutschland sind tlw unter aller sau und gerade über die Ortho und UCh hört man schwierige Dinge. Das ganze wäre nicht mein Fach. Habe aber gerade auch eine Orthofamulatur hinter mir, was ziemlich cool war.
Bist du kurz vor dem PJ?)

[petra01]

Hachja, das Märchen von den unnahbaren Schweden höre ich auch immer wieder und kann ich definitiv nicht bestätigen. Wir wohnen zwar noch nicht in Schweden, sind aber oft oben und haben schon richtig gute Freunde und viele nette Bekannte gefunden.
Im Mai bin ich auch für 6 Wochen auf Praktikum in Vänersborg. Ohne meine Freunde wäre das nie zustande gekommen.

[Grizzly2]

Hallo Anna,
als mittlerweile Hausarzt-Rentner hatte ich, damals noch hier niedergelassen, vor 10 Jahren die Wahnsinnsidee, mich mit einer Umsiedlung zu befassen. Fand ein Forum im deutschen Ärzteblatt, in dem sich deutsche Kolleg/inn/en, die in S arbeiten oder dies vorhaben, austauschen: https://www.aerzteblatt.de/foren/151
Meine Pläne waren schnell ad acta, das ist ja auch nicht Deine Situation, aber vielleicht bekommst Du in dem Forum, das noch existiert, brauchbare Anregungen.
Hälsningar och lycka till !
Grizzly.

[Frauke]

Hej,

ich sehe das so wie die meisten meiner VorrednerInnen - es wird, was du draus machst! Wer offen auf die Schweden zugeht und ehrliches Interesse zeigt, wird auch genau so aufgenommen. Ideelle Vereine (Sport, Umwelt, Jugendliche, was auch immer) bieten immer eine gute Grundlage für Treffen mit Gleichgesinnten. Als ich vor 11 Jahren nach Schweden gezogen bin, habe ich schnell viele gute Freunde gefunden, weil ich mich einfach überall hineingestürzt habe - erst über Couchsurfing, dann Konzert- und Festival-Mitveranstaltung, in der Folkkök aushelfen, später Naturskyddsföreningen usw. Mach' einfach das, was dir Spass macht!

Was die Sprache angeht weisst du hoffentlich von der neuen Regelung, dass man Schwedisch auf C1-Level beim Socialstyrelsen nachweisen muss, um seine Ärztezulassung anerkennen zu lassen!? Das galt bislang nur für ÄrztInnen, die von ausserhalb der EU kamen. Es gibt spezielle Prüfungen für prov i yrkessvenska, und da auch mit medizinischem Schwerpunkt.

Viel Glück und Erfolg mit der ST-Stelle, und komm' gerne in die län in Norrland, wir brauchen ÄrztInnen!