Das Kondom spielt im Sexualleben junger Schweden eine sehr geringe Rolle. Dies belegt die bisher größte schwedische Studie zu den Sex-Gewohnheiten junger Menschen. Nur drei von zehn der Befragten nutzten demnach bei ihrem letzten sexuellen Kontakt ein Kondom. Dessen Schutzfunktion wird also grob unterschätzt – mit teils schwerwiegenden Folgen.
Insgesamt 15.000 junge Menschen zwischen 15 und 29 Jahren haben die Wissenschaftler im Rahmen der Studie befragt. Unter Federführung des Instituts für Seuchenschutz geht es dem Forscherteam vor allem um wirksame Strategien zur Vorbeugung sexuell übertragbarer Krankheiten wie auch unerwünschter Schwangerschaften. Dass solche Strategien Not tun, zeigt die Studie auf eindrucksvolle Weise: So sind sexuell übertragbare Krankheiten wieder auf dem Vormarsch. Das gilt unter anderem für HIV und Gonnorhoe und ganz besonders für Klamydien – im Jahr 2009 wurden im Vergleich zum Vorjahr mehr als 37.000 neue Fälle der Bakterieninfektion registriert, die Folgen wie Erblindung und Unfruchtbarkeit nach sich ziehen kann. „Wir brauchen eine Diskussion darüber, wie wir die Kondomanwendung steigern können“, betont Karin Stenqvist aus dem Forscherteam. „Das ist enorm wichtig, wenn man bedenkt, wie stark verbreitet Geschlechtskrankheiten sind und dass HIV global existiert und für viele Jahre ein Problem bleiben wird. Außerdem haben wir in Schweden im skandinavischen Vergleich die höchste Zahl von Schwangerschaftsabbrüchen – auch in dieser Hinsicht war die bisherige Strategie also nicht erfolgreich.“
Pille vermittelt falsche Sicherheit
Die bisherige Strategie – seit Jahrzehnten ist das die Empfehlung, sowohl die Pille als auch ein Kondom zu benutzen. Zur Pille rät man in Schweden auch sehr jungen Mädchen, um Abtreibungen bei Teenagern vorzubeugen. Dass diese Bestrebungen nun zu weiten Teilen fehlgeschlagen sind, hat offenbar auch mit einem übergroßen Vertrauen in die Pille zu tun, die in Sachen Verhütung sozusagen „alles regeln“ soll. Die aktuelle Studie belegt das: 60 Prozent der Befragten gaben an, auf ein Kondom zu verzichten, da die Frau ja bereits mit Pille oder Spirale „vorgesorgt“ habe. Ebenso wie viele ihrer Kollegen ist sich Karin Stenqvist sicher: Es ist an der Zeit, in Sachen Aufklärung und Prävention das Vorgehen zu ändern. „Nach unserer Einschätzung ist die bisherige Herangehensweise unangemessen, sie trägt dazu bei, dass das Kondom zur zweiten Wahl wird oder dass man es gleich gar nicht benutzt. Die jungen Leute setzen sich damit unnötig großen Risiken aus. Wir müssen das Kondom mehr pushen – vielleicht auch auf Kosten der Pille“, so Karin Stenquist.
Prostitution – na und?
Bedenkenswert dürfte diese Empfehlung nicht zuletzt für die wachsende Zahl jener schwedischer Jugendlicher sein, die ihren Körper verkaufen. Eine aktuelle Studie des Landesverbandes für sexuelle Aufklärung, RFSL, belegt nämlich, was so mancher seit langem ahnte: Aller öffentlichen Ächtung zum Trotz ist blühender Sexhandel in Schweden keineswegs ungewöhnlich, und zumal junge Menschen finden wenig dabei, ihre finanzielle Lage mit Prostitution aufzubessern. Das Gesetz, das den Kauf sexueller Dienste in Schweden unter Strafe stellt, hat also auch unter Jugendlichen nicht die erhoffte moralische Wirkung gezeigt. Neben dem finanziellen Ertrag bringen die jungen Sexarbeiter freilich auch unerwünschte Mitbringsel nach Hause. „Dass jemand Sex verkauft, kommt bisweilen zur Sprache, wenn der- oder diejenige sich auf Klamydien testen lässt“, so Gunilla Andersson, Leiterin einer Jugendklinik in Kristiansand. In solchen Fällen gelte es, nicht mit Empörung oder Verurteilung zu reagieren. Nur dann könne man dem Problem beikommen.
(Quelle: Radio Schweden)
Junge Schweden: Nein danke zu Kondom
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